Der Versuch einer übernationalen Organisation der ArbeiterInnen |
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[Text eines 1999 durch das Maldekstra Forumo Berlino (Linkes Forum) herausgegebenen Flugblatts]
Die Sennacieca Asocio Tutmonda (SAT) gestern und heuteSAT (Sennacieca Asocio Tutmonda, d.h. etwa: Nationenunabhängiger Weltbund) ist eine ArbeiterInnenorganisation allgemein linker Ausrichtung, deren gemeinsamer Nenner der Antinationalismus ist. Sie wurde 1922 in Prag gegründet, eine Zeit, in der eine revolutionäre Stimmung in vielen europäischen Ländern herrschte. Die Gründung hing u.a. mit dem Erlebnis der nationalistischen Kehrtwende und dem Kriegstreiben der sozialdemokratischen Parteien zusammen: die Mitglieder der SAT begriffen, daß es nicht ausreicht, den Internationalismus zu loben aber weiterhin im Saft einer Nation zu schmoren. Auch den sowjetischen Internationalismus erkannten viele von ihnen früh als hegemonistischer Machtanspruch der Kommunistischen Partei. Im Nationalismus erkannten sie die Religion des modernen Staates, die eine der wenigen Religionen ist, die vom Menschen fordert, sogar sein Leben zu opfern. Das monatliche Organ von SAT heißt Sennaciulo (Der Nationslose), wobei Nation im Sinne von Nationalstaat gemeint ist, nicht im Sinne von ethnischer Zugehörigkeit, die ja jedeR hat. Es gibt eine Reihe anderer Veröffentlichungen, z.B. die jährlich erscheinende Theoriezeitschrift Sennacieca Revuo, die Bulletins der aktiven SAT-Fraktionen (AnarchistInnen, Grüne u.a.) oder die Rundbriefe der Arbeiter-Esperanto-Ligen in den einzelnen Sprachgebieten. Interne Arbeitssprache der SAT ist ausschließlich Esperanto, obwohl die Rundbriefe der Arbeiter- Esperanto-Ligen z.T. in den jeweiligen Landessprachen verfaßt sind. Die SAT erreichte ihren Höhepunkt in den Jahren 1929-30. Damals hatte sie 6524 Mitglieder an 1574 Orten in 42 Ländern. Die Verfolgungen der 30er Jahre (in Deutschland, Japan, der Sowjetunion usw.) sowie der Zweite Weltkrieg haben vielen SAT-Mitgliedern das Leben gekostet. Die Forcierung des Englischen als Hegemonialsprache nach dem 2. Weltkrieg hat die Position des Esperanto geschwächt und die Erholung der Arbeiter-Esperanto-Bewegung erschwert. Heute hat die SAT knapp 2.000 Mitglieder, wovon etwa ein Sechstel in Frankreich lebt. Andere Länder mit einer relativ hohen Mitgliederzahl sind Rußland, die Ukraine, Bulgarien, die Niederlanden und Japan. Nach wie vor gibt es kaum Mitglieder in Afrika (nur in 3 Ländern). Die Zusammensetzung der Mitgliedschaft ändert sich derzeit rasch, weil die Sterbefälle alter Mitglieder sich in West- und Mitteleuropa konzentrieren, während neue Mitglieder in den ehemaligen Sowjet-republiken und China hinzukommen. Dies hat weitreichende negative Folgen für die Finanzen, da die Mitglieder im Osten sich viel weniger an Beiträgen leisten können. Nach wie vor gibt es viele Doppelmitgliedschaften, d.h. SAT-Mitglieder sind auch Mitglied in Organisationen der bürgerlichen (auch neutral genannten) Esperanto-Bewegung, weil diese wesentlich größer ist und viele Vorteile zu bieten hat. Die SAT hat ihren Sitz in Paris, wo es auch eine bezahlte Bürokraft gibt. Hier erscheint das monatliche Organ Sennaciulo. Die Veränderungen in der Altersstruktur und Zahlungsfähigkeit der Mitglieder gehen auch mit Verschiebungen im ideologischen Bereich einher. Die Bedeutung von Klassenkampf wird z.B. zunehmend in Frage gestellt, insbesondere von den jüngeren Mitgliedern. Die Anziehungskraft der SAT im Osten hängt mit einigen Faktoren zusammen. Erstens, haftet der SAT in den östlichen Ländern zum Teil das romantische Image einer oppositionellen Organisation an, weil sie dort bis Ende der 80er Jahre nicht offen arbeiten durfte. Damit hängt zusammen, daß sie in diesen Ländern nicht von Wendehälsen getragen wird, wie dies bei der bürgerlichen (früher systemtreuen) Esperanto-Bewegung teilweise der Fall ist. Ein weiterer Grund dürfte derjenige sein, daß die bürgerliche Esperanto-Bewegung in manchen Ländern von nationalistisch eingestellten Kräften beeinflußt wird. Dies drängt moderate Leute in Richtung SAT ab. Die SAT scheint sich zur Zeit mehr und mehr hin zu einem amorphen Sammelbecken progressiver EsperantistInnen zu entwickeln. Bei den Umwälzungen und der massiver Verelendung in Osteuropa bleibt noch zu hoffen, daß die SAT eine den Umständen entsprechend kämpferische Linie einschlägt und das glänzende Verständigungsmittel Esperanto den antikapitalistischen Kräften zur Verfügung stellt. Trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche und aller anderen Mängel, beweist die SAT immer wieder, daß sie mit Esperanto in der Lage ist, den dringend notwendigen übernationalen Austausch zwischen arbeitenden Menschen zu fördern. Dies ist eine Grundvoraussetzung für eine internationale revolutionäre Bewegung. Auszug aus den Statuten der SAT1. Unter dem Namen Sennacieca Asocio Tutmonda wurde eine Vereinigung mit den folgenden Zielen gegründet: Da SAT keine parteipolitische, sondern nur eine bildende, aufklärende und kulturelle Organisation ist, sollten die Mitglieder Verständnis und Toleranz den politischen und philosophischen Schulen oder Systemen, auf die sich die verschiedenen klassenkämpferischen Arbeiterparteien und Gewerkschaftsbewegungen gründen, entgegenbringen. Durch den Vergleich von Fakten und Ideen, sowie durch freie Diskussion will SAT bei ihren Mitgliedern die Dogmatisierung der politischen Lehren, die sie in ihrer jeweiligen Umgebung erhalten, unmöglich machen. Kurz gesagt, SAT setzt sich das Ziel, langfristig durch die weltweite Anwendung einer rationell durchdachten Sprache (Esperanto) die Schaffung rationell denkender Geister zu fördern, die fähig sind, Ideen, Thesen und Tendenzen gut zu vergleichen, richtig zu verstehen und auszuwerten, die daher auch fähig sind, selbständig den Weg zu wählen, den sie für den direktesten oder begehbarsten halten, um die Klasse zu befreien und die Menschheit zu einer möglichst hohen Stufe der Zivilisation und Kultur hinzuführen. |
ĝisdatigo de 2020-08-14 / zuletzt geändert am 14. 8. 2020