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SAT-Tagung in Sarajevo thematisiert die jüngste Geschichte

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[Text: Autorengruppe aus Kongressteilnehmern]

Der diesjährige 84. SAT-Kongress fand vom 30. Juli bis zum 6. August in Sarajevo statt, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, in der einst der terroristische Akt vollbracht wurde, der als Vorwand für den 1. Weltkrieg diente.

Mit um die 70 Teilnehmer war der Kongress nicht sehr stark besucht, obwohl das örtliche Vorbereitungskomitee gute Organisationsarbeit geleistet hatte und er hochwertige Programmpunkte aufwies:

– ein Seminar zum Kongressthema „Globalisierung und das nationale Phänomen”, das Prof. François Lo Jacomo meisterhaft leitete. Hier waren einige Unterthemen sprachbezogen: Sinn und Praktikabilität des Schulunterrichts in verschiedenen Muttersprachen von Schülern, die Überlebensfähigkeit kleiner, lokal gebrauchter Sprachen, englischsprachiger Unterricht in nichtsprachlichen Fächern in nicht-englischsprachigen Ländern, Alternativen zu Englischunterricht für die jüngsten Altersgruppen – alles Sachen, zu denen Esperantosprechende verschiedenste Meinungen haben;

– Vorträge zum sprachlichen Aspekt von Betriebssystemen (Samir Ribić), zum Schicksal der Eisenbahnen und Eisenbahnern in Vergangenheit und Gegenwart (Pawlin Boewski), Bewegungstherapie (Vito Markov) mit praktischen Massageübungen, esperantosprachige populärwissenschaftliche Literatur (Nikolaj Gudskow) – eine Gattung, die gewöhnlich eine Hinwendung zum wissenschaftlichen und eine Abwendung vom metaphysischen Weltbild verkörpert, und etwas, dessen Relevanz für das Programm der Kooperativen Verlagsabteilung von SAT in der anschließenden Diskussion herausgestellt wurde – sowie andere Vorträge;

– Büchervorstellungen von Spomenka Štimec über Hodler en Mostar und Senad Čolić, der das Buch Eŭropa Unio: lingvaj kaj kulturaj aspektoj besprach, eine Textsammlung, die als Reader für ein 2010 abgehaltenes Esperanto-Symposium zu europäischen Themen diente. Die anschließende Diskussion offenbarte, wie SAT-Mitglieder aufmerksam, aber wegen ihrer oft entschiedenen antinationalistischen und globalistischen Haltung nicht immer unkritisch, die Aktivitäten der „neutralen” Esperanto-Bewegung in der EU und in der Sache von Minderheitensprachen verfolgen.

Neue Veröffentlichungen stellte auch die Kooperative Verlagsabteilung vor: eine Landkarte, das aktuelle E-Buch Indignu! ["Empört euch!" von Stéphane Hessel] und ein original auf Esperanto verfasster Roman von Serĝo Elgo, La Aliulo;

Auch das Kunstprogramm wurde durch die Teilnahme bosnischer Berufsmusiker bereichert. Zu ihnen gesellten sich Esperantisten: der Schauspieler Saša Pilipović, der seine Autobiografie in Form eines Monodramas darbot, der Gitarrist Lino Markov und andere. Die zunehmende Aktivität von Musikern und Musikliebhabern in SAT regte eine Diskussion über die mögliche Gründung einer SAT-Kunstabteilung an.

SAT-Kongresse zeichnen sich meist durch „alternativen Tourismus” aus: Betriebsbesuche, Treffen mit Gewerkschaftsführern usw. Dieses Jahr war es etwas anders: neben den üblichen Ausflügen gab es Besuche an Orten des Gedenkens an den jüngsten grausamen Krieg unter verschiedenen „ethnischen” (besser: konfessionellen) Gemeinschaften in Bosnien. Obwohl der Krieg vor 15 Jahren zu Ende ging und seine Spuren zum Teil schon weniger sichtbar sind, hinterließ er viele Narben, die lange noch schmerzen werden. Bewegend waren daher Ausflüge zum „Kriegstunnel”, der während der Belagerung von Sarajevo im Frühjahr 1993 gegraben wurde, um die Versorgung der erstickenden Stadt zu ermöglichen, und in die Kleinstadt Srebrenica, in derer Nähe 1995 über 8000 unbewaffnete Flüchtlinge unter wohlwollender Beobachtung einer UNO-Truppe ermordet wurden. In Sarajevo, Tuzla und anderen Städten wurden oft Orte gezeigt, an denen friedliche Einwohner durch Bomben oder Terrorangriffe umkamen. Von daher die zentrale Bedeutung, die der Kongress der Friedensproblematik und der Arbeit der SAT-Friedensplattform zugemessen hat. Diese hat eine Sitzung im Kulturhaus von Srebrenica abgehalten.

Jeder SAT-Kongress widmet mehrere ganze Vormittage den Arbeitssitzungen, bei denen jedes anwesende Mitglied über Vorschläge mitreden und mitabstimmen darf. Einige Debatteninhalte spiegeln sich in der Kongressdeklaration wider: die Bestrebung, Antipersonenminen und Streubomben durch internationale Abkommen zu verbieten, die Lage von Migranten, Atomenergie.

Die Öffentlichkeitsarbeit von SAT im Internet und in schriftlichem Informationsmaterial, und damit verbunden die Mitgliederwerbung, bekamen mehr Aufmerksamkeit als sonst. Teilnehmer sahen einen Dokumentarfilm Esperanto von Dominique Gautier, der teilweise im SAT-Milieu gedreht wurde und jetzt zur Verbreitung in mehreren Sprachversionen vorbereitet wird. Beachtet wurde auch die Aktion „l'espéranto au bac” in Frankreich. Unter Teilnahme von SAT-Amikaro (der mit SAT verbundene Verband, der in französischsprachigen Weltteilen agiert) und Espéranto-France zielt sie darauf, Esperanto als wählbares Abiturprüfungsfach offiziell zuzulassen. Die Anationalistische Fraktion (in SAT heißen die Plattformen bzw. politischen Interessengruppen traditionell „Fraktionen”) besprach die für die nächste Zeit geplante Neuausgabe zweier klassischer Texte derselben politischen Richtung, die sich kosmopolitischen und antinationalistischen Themen verschreibt.

Reichhaltig war auch das Nachkongressprogramm in Herzegowina, zu dem ein Besuch der kroatischen Stadt Dubrovnik an der Adria, eines Schmuckstücks, gehörte. In Herzegowina besichtigten die Teilnehmer nicht nur Sehenswürdigkeiten, sondern trafen sich auch mit örtlichen Esperantisten, die verschiedenen ethnoreligiösen Gruppen angehören, was tiefere Einsichten in die Situation dieses schönen Landes erlaubte, das schwer gelitten hat und nur mit Mühe wieder zur Ruhe kommt. Die letzte persönliche Begegnung in der Stadt Trebinje war mit dem Esperantisten Simo Milojević, der jetzt dort lebt und gerade vom Esperanto-Weltkongress in Kopenhagen zurückgekehrt war.

Der Kongress nahm eine Einladung an, den nächsten SAT-Kongress in Jalta abzuhalten.

Deklaration des SAT-Kongresses 2011

Der 84. Kongress des Anationalen Weltbundes (SAT, Sennacieca Asocio Tutmonda) in Sarajevo, der vom 30. Juli bis zum 6. August 2011 tagte, unterstreicht, dass das Statut die SAT-Mitglieder ermuntert, auf verschiedenen Gebieten aktiv zu sein. Kongressthema dieses Jahres war „Globalisierung und nationale Phänomene”.

Der Kongress

  • unterstützt, in Übereinstimmung mit den Bemühungen der Esperantisten Sarajevos, den Vorschlag, dass der Europäische Rat Sarajevo, das im bosnischen Krieg Opfer schwerer Aggression wurde und dennoch weiterhin erfolgreich multikulturell ist, zur Kulturhauptstadt Europas in einem der kommenden Jahre erklären möge,
  • drückt aus Anlass der erschütternden Ereignisse von Oslo (Norwegen) sein Beileid aus und weist auf die schrecklichen Folgen des Terrorismus hin,
  • hat die Botschafter von China, Pakistan, Russland, den USA und Bosnien-Herzegowina schriftlich gebeten, die Ottawa-Konvention, die alle Antipersonenminen verbietet, sowie die Osloer Konvention, die einige Streubomben verbietet, zu unterschreiben und zu ratifizieren,
  • hat den Vorsitzenden der Europäischen Kommission schriftlich ersucht, die Möglichkeit einer Aufstockung der Geldhilfe an Bosnien-Herzegowina durch seinen Mitarbeiterstab untersuchen zu lassen, damit das Land bis 2019 die vollständige Minenräumung auf seinem Territorium erreichen kann,
  • stellt die Zunahme der Probleme fest, die aus Nationalismus und Kapitalismus entstehen, darunter ökologische, wirtschaftliche und die Lebensbedingungen betreffende, mit denen sich Menschen regelmäßig konfrontiert sehen,
  • stellt fest, dass Menschen zu nirgendwo erwünschte Migranten werden, wenn sie wegen solcher Probleme die Folgen der Ausraubung ihres Landes oder von Kriegen erleiden müssen, und weist auf die Gefahr der Vermehrung der Gase hin, die Erderwärmung verursachen,
  • stellt fest, dass die Kräfte von Politik und Finanz nicht ausreichend auf die schlechten Folgen von Umweltschäden achten,
  • weist auf die Gefahren bei der Verwendung von Kernkraft hin, die weltweit sich auswirkende Katastrophenfälle zur Folge hatte, wie vor 25 Jahren in Tschernobyl und dieses Jahr in Fukushima,
  • stellt sich gegen das Vorhaben von Regierungen, sozialen Kämpfen durch Unterdrückung von Aktivisten zu begegnen, was u. a. die serbische Regierung getan hat, als sie ihr ungerechtfertigtes Gerichtsverfahren gegen Belgrader Anarchisten mit dem Ziel wieder aufnahm, sie von der Arbeiterklasse zu trennen. nach oben

ĝisdatigo de 2020-08-14 / zuletzt geändert am 14. 8. 2020