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[Auszug aus einer Rede, die Eŭgeno Lanti vor Arbeiter-Esperantisten in Antwerpen 1934 gehalten hat. Der Anationale Weltbund (SAT) wurde durch Lanti und andere 1921 gegründet. Von Anfang an herrschte in ihm eine ausgeprägte antinationalistische Haltung. Diese paarte sich mit der Überzeugung, dass der Gebrauch von Esperanto unter Arbeitern helfen würde, sie von national verengtem Denken zu befreien, und sie einen Schritt über den in der Arbeiterbewegung allgemein verkündeten Internationalismus hinausführen würde.]

...Ich habe soeben einen Satz aus dem Kommunistischen Manifest zitiert und den in ihm enthaltenen Irrtum aufgezeigt. Aber im selben Werk und auf derselben Seite sagt Marx auch: "Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner [des Proletariats] Befreiung." Mit dieser Aussage bin ich voll einverstanden. Und in jedermanns Ohr klingt die gute Empfehlung: "Proletarier aller Länder, vereinigt euch!"

Aber warum kam es nicht zur nötigen und angeratenen Vereinigung? Meiner Meinung nach kam es nicht dazu, weil der Geist der Menschen von Absolutismus beherrscht wird, und weil es keine gemeinsame Sprache gibt. Unter solchen Bedingungen ist einheitliches Handeln unerreichbar. Es ist absurd, Menschen Einheit anzuraten, wenn sie sich nicht verständigen können, wenn sie nicht dieselben Zeitschriften lesen und dieselben Bücher studieren können, und wenn sie ohne Hilfe von Übersetzern und Dolmetschern nicht diskutieren können.

Stimmt man dem zu, dann folgt, dass unsere weltsprachliche Bewegung nicht als etwas abseitiges, unwichtiges oder dilettantisches anzusehen ist. Im Gegenteil, sie muss am Anfang jeder Aktivität stehen, die das Proletariat weltweit vereinigen will. Und ich zögere nicht zu behaupten, dass die Missachtung der Sprachenfrage durch den größten Teil der Führung von Arbeiterorganisationen eine der Ursachen dafür ist, dass die Arbeiter keine geeignete und zweckmäßige Haltung erworben haben, die eine wirkliche, nicht fiktive Einigung über Grenzen ermöglichen würde.

Jedoch weise ich weit von mir die Meinung, dass Esperanto ein Allheilmittel sei; dass seine Annahme ausreichen würde, um der Welt Frieden und Wohlstand zu bringen. Aber wenigstens alle Langzeitmitglieder von SAT, die unsere Sprache ständig und bewusst praktizieren, wissen aus Erfahrung sehr gut, dass es kein geeigneteres Mittel gibt, sich von Nationalismus zu befreien. Es ist gefährlich, der eigenen inneren Gefühle nicht bewusst zu sein. Das konnte man 1914 erleben. Vor Kriegsausbruch demonstrierten viele Arbeiter zu den Klängen der Internationale; aber bei den ersten Trommelschlägen wurde die Nationalhymne ihr Lieblingsstück. Und ich nehme ganz stark an, dass es im nächsten Krieg genauso passieren wird. Es wird mich nicht einmal wundern, wenn Proletarier aus der Sowjetunion zu den Klängen der Internationale (der dortigen Nationalhymne!) mit französischen Proletariern, die sich auf die früher ebenfalls revolutionäre Marseillaise berufen, als Bündnispartner einem Krieg gegen Deutschland zustimmen. Die Herrschenden und die Arbeiterführer werden leicht, wie 1915, Rechtfertigungen für eine solche Teilnahme finden...

Auf den ersten Werbeblättern, die SAT vor 13 Jahren herausgegeben hat, finden sich folgende Sätze, die mir immer noch wahr und aktuell erscheinen: "Die ideale Gesellschaft wird nicht in fertiger Gestalt einer Revolution, die sich einige als Allheilmittel vorstellen, entspringen." "Es ist also nötig, sich auf die Aufgabe eines Weltbürgers vorzubereiten, sich darin zu üben und dabei die nationalen Besonderheiten in sich zu beseitigen, die Unreife ausmachen und die durch das inländische staatliche Ausbildungswesen in unsere Köpfe und Herzen verpflanzt wurden." nach oben

ĝisdatigo de 2020-08-14 / zuletzt geändert am 14. 8. 2020