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Gary Mickle:Die "innewohnenden Ideen" des EsperantoZu den häufigsten Stereotypen bezüglich Esperantosprechende gehört die Vorstellung, dass es sich um Leute handelt, die kühn behaupten, ihre Sprache könnte die Menschen friedfertiger machen und sogar Dauerfrieden stiften, wenn sie nur als allgemeine Zweitsprache der Menschheit eingeführt würde. Diese Erzählung von unglaublich naiven Esperantisten fußt, man muss es zugeben, ein bisschen in den historischen Tatsachen – aber wirklich nur ein bisschen. Esperantisten neigten in der Vergangenheit dazu, den Wert einer gemeinsamen Sprache als Faktor des Friedens und des guten Willens zu übertreiben, aber wenige, wenn überhaupt welche, haben die atemberaubende Behauptung aufgestellt, Esperanto allein könne den Krieg abschaffen. Die Verbindung von Esperanto mit einer Friedensideologie war in einem gewissen Maß rein pragmatisch. Diese war annehmbarer als andere Ideologien in einer gesellschaftlichen Bewegung, die etwas Idealistisches brauchte, um das herum sich Anhänger sammeln konnten, deren Ansichten über politische und religiöse Angelegenheiten ansonsten sehr auseinandergingen, und die gern darüber stritten, wie Esperanto mit ihnen in Verbindung gebracht werden sollte – oder eben nicht. L. L. Zamenhof, Stifter des Esperanto, bezeichnete als "innewohnende Idee" (interna ideo auf Esperanto) die Vorstellung, dass Esperanto von seinen Nutzern als Mittel zur Förderung ethnischer, nationaler und religiöser Toleranz, sowie auch gerechter Beziehungen zwischen Sprachgemeinschaften, angesehen werden sollte. Zamenhof verabscheute die Vorstellung, dass Esperanto bloß ein praktisches Kommunikationswerkzeug sei. Schon seit mehr als hundert Jahren akzeptieren die meisten Anwender des Esperanto entweder explizit oder implizit diese innewohnende Idee, so wie sie sie deuten, und sie beziehen sich oft und gern auf sie. Zamenhof fasste es 1906 in einer Rede vor dem 2. Weltkongress des Esperanto so zusammen: "... was uns anspornt, für Esperanto zu arbeiten, ist ... nur der Gedanke an die heilige, große und wichtige Idee, die in einer internationalen Sprache enthalten ist. Diese Idee – die Sie alle sehr spüren – ist die der Brüderlichkeit und Gerechtigkeit unter allen Völkern." Im Weiteren beschrieb er die ersten Esperantisten so: "Sie alle gedachten nur der innewohnenden Idee, die im Esperantismus enthalten ist; sie alle schätzten Esperanto nicht deshalb, weil es die Körper der Menschen zusammenbrachte, und nicht einmal deshalb, weil es ihre Gehirne einander näherte, sondern nur deshalb, weil es ihre Herzen einander näherte." [1] Es wäre arglos, die Zwiespältigkeit der innewohnenden Idee in ihrer ursprünglichen Fassung zu ignorieren. Auch wenn ihr Ethos grundsätzlich universalistisch ist, bezieht sie sich jedoch ausdrücklich auch – so wie sie gewöhnlich in Worten gefasst wird – auf ethnische und sprachliche Gemeinschaften und nimmt deren Relevanz als gegeben. So ist sie offen für partikularistische Umdeutungen, die diese Gemeinschaften und die vermeintlich richtige Art, sie zu erhalten und ihre gegenseitigen Beziehungen zu regeln, in den Mittelpunkt stellen. Die Ideengeschichte des Esperanto kann zu einem beträchtlichen Teil als Schwankung zwischen Universalismus und Partikularismus aufgefasst werden. Der Widerstreit zwischen Beiden hat mehr ideologische Auseinandersetzung unter Esperantisten ausgelöst als der Widerstreit zwischen dem, was gemeinhin als "rechts" und "links" gilt. Radikal universalistische und radikal partikularistische Ansichten über die politische Relevanz des Esperanto weichen so stark von der konventionellen Esperanto-Ideologie ab, dass sie am Besten als eigenständige alternative (und sich gegenseitig ausschließende) "innewohnende Ideen" angesehen werden können, die sich von der Standardversion, die den Mittelweg geht, abheben. Jarosław Tomasiewicz, ein Wortführer der Neuen Rechten in Polen und offenbar ein ehemaliger Esperantist, bemerkte in einem Artikel über Esperantisten, die Anhänger des Ethnismus (einer Art Kleinvölker-Nationalismus) sind: "Es lassen sich zwei Richtungen in der internationalen Esperanto-Bewegung unterscheiden. Die erste behandelt Esperanto als Mittel, um die Menschheit zu vereinigen. Die zweite meint, dass Esperanto die Vielfalt der Welt verteidigen sollte, indem es den kleinen Sprachen und Kulturen eine Chance gibt, sich dagegen zur Wehr zu setzen, durch die Sprachen großer Nationen aufgezehrt zu werden." [2] Tomasiewicz, dem ich politisch nicht nahe stehe, hat offenbar denselben ideologischen Grundwiderspruch unter Esperantisten wahrgenommen, den ich wahrnehme. Ein hervorragendes Beispiel für radikalen Universalismus unter Esperantisten ist die Arbeiter-Esperanto-Bewegung, oder wenigstens ein großer Teil von ihr. Traditionell hängt sie der Idee an, dass Esperanto dem Proletariat als Werkzeug zur Selbstbildung durch unmittelbaren politischen Kontakt unter Arbeitern verschiedener Länder, sowie zur Befreiung der Arbeiter von den Fesseln nationalistischen Denkens dienen soll. Die entgegengesetzte "innewohnende Idee", die partikularistiche, ist historisch genauso wichtig wie die proletarische. Sie macht seit den 70er Jahren Furore, und wurde unter Esperantosprechenden als modernisierter Ausdruck von Zamenhofs ursprünglicher "innewohnender Idee" gehandelt. Jedoch unterscheidet sie sich von letzterer beträchtlich, insofern sie um die Vorstellung kreist, dass die weltweite Einführung des Esperanto die Vitalität und sogar die Existenz selbst von Ethnien, ethnischen Sprachen und ethnischen Identitäten aufrechterhalten würde. Als Gegner dieser heute fast überall anzutreffenden Idee trete ich der Behauptung entgegen, dass sie nur eine logische Konsequenz der Zamenhof'schen "innewohnenden Idee" sei. Ich halte sie vielmehr für eine eigenständige Ideologie und einen Ausdruck dessen, was mal als "komplementärer", mal als "generischer" Nationalismus bezeichnet wird (im Unterschied zum "exklusiven" Nationalismus). In seiner modernen Form wurde diese Ideologie oft in einer Weise zum Ausdruck gebracht, die sie sehr dem neurechten Ethnopluralismus annähert. Zamenhof starb 1917. In seinem Lebensverlauf hat er den Nationalismus immer entschiedener abgelehnt. Nie hat er behauptet, dass Esperanto ethnische Sprachen und ethnische Kulturen eines Tages vor dem Untergang "retten" würde. 1914 antwortete er folgendermaßen auf ein Ersuchen, dem neugegründeten Weltbund Hebräischer Esperantisten beizutreten: "Ich muss selbst leider abseits stehen von dieser Sache, da ich aus Überzeugung homarano [= Anhänger des homaranismo, einer Doktrin, die die Zwietracht in ethnisch und religiös verschiedenen Gemeinschaften durch Bekämpfung des ethnischen Nationalismus und Förderung des interreligiösen Dialogs vermindern sollte (GM)] bin und mich weder mit den Zielen noch mit den Idealen eines bestimmten Volkes oder einer bestimmten Religion verbinden kann. Ich bin tief überzeugt, dass jeder Nationalismus ein einziges großes Unglück für die Menschheit ausmacht, und dass die Schaffung einer harmonisch zusammenlebenden Menschheit das Ziel aller Menschen sein sollte. Zwar ist der Nationalismus unterdrückter Völker – als natürliche Verteidigungsreaktion – um Vieles leichter verzeihlich als der Nationalismus unterdrückender Völker, aber so schändlich der Nationalismus der Starken ist, so unvernünftig ist der Nationalismus der Schwachen. Sie bringen einander hervor und stützen sich gegenseitig, womit sie einen Teufelskreis der Unglücks schaffen, aus dem die Menschheit nicht herauskommt, es sei denn, jeder von uns gibt seine gruppenbezogene Selbstverliebtheit auf und bemüht sich, auf vollkommen neutralem Boden zu stehen." [3] 1915 warnte Zamenhof in einer Denkschrift, die Nach dem großen Krieg [4] hieß, den künftigen Architekten einer Friedenslösung vor dem Versuch, ethnische Konflikte durch "gerechte" Zugeständnisse an die territorialen Ansprüche konkurrierender ethnischer Nationalismen beilegen zu wollen: "vermeiden Sie es, eine Umgestaltung der Landkarte zum wesentlichen Inhalt ihrer Arbeiten zu machen, denn in einem solchen Fall wären ihre Arbeiten völlig umsonst". Seine Schlussfolgerung war sowohl radikal wie auch der Ideologie des Ethnismus, die in einem großen Teil der heutigen Esperanto-Bewegung vorherrscht, diametral entgegengesetzt: "Wenn Sie nichts Anderes täten als nur die ethnischen Namen der Länder zu beseitigen (was sich leicht machen ließe), würden Sie allein durch diese Tat etwas außerordentlich Wichtiges erreichen; Sie würden eine neue Epoche der europäischen Geschichte einleiten." Seine Schrift Wesen und Zukunft der Idee einer internationalen Sprache [5] (1900) ist vielleicht die Stelle, an der Zamenhof seine Ansichten über Erhaltung der Sprachenvielfalt und die sprachliche Zukunft der Menschheit am deutlichsten darlegt: "Wir geben zu, dass wir keineswegs verstehen können, so sehr wir uns den Kopf darüber zerbrechen, was es für ein Unglück für die Menschheit wäre, wenn es sich eines schönen Tages erwiese, dass es keine Nationen und keine nationalen Sprachen mehr gibt, sondern nur eine einzige Menschheitsfamilie mit einer einzigen menschlichen Sprache." Weiter bezeichnete Zamenhof jene, die in einer solchen Entwicklung ein Unglück sehen, als "nationale Chauvinisten". Was Zamenhof betraf, war die Perspektive eines "Zusammenflusses von Menschen in ein einziges Menschenvolk" eine Zukunftsoption für die Menschheit, über die berechtigterweise nachgedacht werden konnte, auch wenn sie noch nicht hochaktuell war. Aus dem Zusammenhang ist es auch offenkundig, dass er den Ausdruck "einziges Menschenvolk" nicht nur metaphorisch verwendete, sondern sich ausdrücklich auf eine Welt ohne Nationen und nationale Sprachen bezog. Diese Idee brachte er wiederum mit Esperanto in Verbindung, indem er sagte, dass die internationale Sprache es "den Menschen leichter machen würde, dieses zu erreichen" – zwar nicht zwangsläufig, aber als etwas, was sie gemeinsam tun könnten, wenn sie wollten. Der 15. Dezember 2009 ist Zamenhofs 150. Geburtstag, und es werden Pläne gemacht, dem Ereignis zu gedenken. Ich erwarte nicht, dass die ethnophile Mehrheit im Esperanto-Weltbund (UEA) und in einigen anderen Organisationen von Esperantosprechenden auch nur eine Minute daran denkt, den konsequent universalistischen und antinationalistischen Standpunkt, zu dem Zamenhof im Laufe seines Lebens vorstieß und in seinen Schriften verteidigte, zu huldigen. Diese Aufgabe fällt einer kritischen Minderheit zu. Anmerkungen
[1] Zamenhof, L. L.: Rede vor dem 2. Weltkongress des Esperanto, nachgedruckt u. a. in: Zamenhof, L. L., Mi estas homo (red. v. A. Korzhenkov), Kaliningrad, Sezonoj, 2006, S. 168-179; auch im Internet bei http://www.satesperanto.org/La-plu-aktualega-Zamenhof-parolado.html [zurück] |
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